Unterwegs in London – Straßenfotografien 1967-2006

Wie der Fotograf selbst, so sind auch die Protagonisten in Rudi Meisels Fotografien unterwegs, immer in Bewegung. Es sind Passanten im wahrsten Sinne des Wortes, die nur für den Augenblick der Aufnahme vor seinem Objektiv kurz haltmachen. Oft ist der kurzen Begegnung mit dem Fotografen schon ein kleiner Blickwechsel vorausgegangen. Aber manchmal scheinen es die Personen gar nicht zu merken, wenn sie Teil des wunderbaren Bildgedächtnisses werden, das Meisel über Zeiten und Städte hinweg anlegt.

Begonnen hat alles 1967 in London, wohin der damals 18jährige Rudi Meisel eine Reise auf eigene Faust unternommen hatte. »Ich sah so viele fremdartige Menschen in diesem London und hatte so vieles Faszinierendes, Neues zu entdecken, dass mir meine Augen überliefen und ich kaum wusste, wie ich von all dem später erzählen sollte. Dass ich zu der Zeit das Fotografieren für mich entdeckte, war meine Rettung.«, wie Meisel diese Zeit rückblickend kommentiert. Seit damals ist er der Straßenfotografie treu geblieben, der er, wie die anderen großen Meister des Faches etwa Heinrich Zille und Friedrich Seidenstücker oder Robert Frank, Lee Friedlander oder Garry Winogrand, stets in schwarzweiß nachgeht. Zwar ändern sich die Städte, die Menschen und mit ihnen die Fotografien, nicht jedoch Rudi Meisels Perspektive.

Als Flaneur gibt er dem Zufall Raum und findet dadurch besondere, unvorhersehbare Augenblicke, in denen sich alltägliche Szenen zu einem magischen, allgemeingültigen und menschlichen Moment verdichten. Mal ist es die zarte Berührung im großen Fluss, die Zweisamkeit und Ruhe in der bewegten Masse, mal ist es das unerwartet Dörfliche in der Metropole, das seinen Blick fängt. In einigen, wenigen Bildern ist es aber auch das allzu typisch britische, wie der Mann mit Melone und Bierglas in der Hand, das den Betrachter schmunzeln lässt.