17. Januar - 8. März 2019
Gregor Sailer

The Potemkin Village

17. Januar - 8. März 2019
Die Ausstellung wurde am Donnerstag, den 17. Januar 2019 in Anwesenheit des Fotografen eröffnet. Peter Bialobrzeski, Fotograf und Professor an der Hochschule für Künste Bremen, führte ein Künstlergespräch mit Gregor Sailer.

Der Mythos besagt, dass der Begriff des Potemkinschen Dorfes auf den russischen Feldmarschall Reichsfürst Grigori Alexandrowitsch Potjomkin zurückgeht. Dieser soll anlässlich einer Inspektionsreise seiner Zarin Katharina der Großen 1787 durch die südrussische Provinz und die Krim zahlreiche bemalte Kulissen errichtet haben lassen, um das wahre, heruntergekommene Gesicht der Region zu verbergen.

Auch wenn die Geschichte nachweislich so nicht stimmt, gibt es noch immer Potemkinsche Dörfer. Das erzählt die gleichnamige Serie des österreichischen Fotografen Gregor Sailer, der lange recherchiert hat, um weltweit Scheinorte aufzuspüren und diese mit seiner analogen Plattenkamera zu fotografieren. Die vorgefundenen Fake-Kulissen führen den Betrachter in die Irre und spiegeln eine Illusion vor, während sie tatsächlich politischen, militärischen und wirtschaftlichen Motiven dienen.

Junction City IV, Fort Irwin, US Army, Mojave Desert, California, USA, 2016. Foto: Gregor Sailer

Sailer zeigt Städte, die man im Mittleren Osten verortet, die in Wahrheit aber in der Mojave-Wüste errichtet wurden und dem US-Militär als Trainingszentrum für Kriegsführung dienen. Auch in Deutschland entsteht eine riesige Anlage mit Fake-U-Bahn und Flughafen für Terrorübungen. In Schweden findet der Fotograf Häuserkulissen vor, die den Hintergrund einer Autoteststrecke bilden. Manchmal stößt er ganz direkt auf den Mythos des Potemkinschen Dorfes: Anlässlich des Putin-Besuchs im russischen Suzdal und eines internationalen Gipfels in Ufa werden ganze Straßenzüge mit Planen verkleidet, um den miserablen Zustand der Häuser zu kaschieren.

Schließlich gibt es einen weiteren Aspekt in Gregor Sailers Arbeit. Der Fotograf ist nach China gereist, um die minutiösen Nachbildungen europäischer Städte zu dokumentieren. Orte, in denen allerdings kaum ein Chinese wohnen will. Geschäfte und Restaurants bleiben genauso leer wie die Wohnungen. So wird ein urbanes Leben vorgetäuscht, das gar nicht stattfindet.

In seinen teils beklemmenden, teils aberwitzigen Arbeiten entführt der Fotograf den Betrachter in eine surreale Welt der Attrappen, Kulissen und des Blendwerks. Menschen sucht man hier vergebens. Auf intelligente Weise reflektiert Sailer das Wechselspiel zwischen Illusion und Realität und zeigt das Absurde unserer Zeit, die immer stärker von Fake-News und Fake-Towns bestimmt wird.

Suzdal IV, Vladimir Oblast, Russia, 2016. Foto: Gregor Sailer
Info

Gregor Sailer

Gregor Sailer (geb. 1980 in Schwaz, Tirol), der sich nicht als Fotojournalist, sondern vielmehr als Künstler und Architekturfotograf versteht, arbeitet zumeist an Langzeitprojekten. 2012 erschien »Closed Cities« im Kehrer Verlag, für das er zwischen 2009 und 2012 auf verschiedenen Kontinenten unterwegs war, um geografisch abgeschiedene Ort fotografisch zu erfassen. Gregor Sailers Arbeiten wurden international ausgezeichnet und sind regelmäßig in Ausstellungen zu sehen. Im Rahmen einer umfangreichen Ausstellungstournee durch Europa macht »The Potemkin Village« nach Innsbruck, Arles und Berlin Station in der FREELENS Galerie.
www.gregorsailer.com