14. November 2013 - 26. Januar 2014
Christopher Capozziello

The Distance Between Us

14. November 2013 - 26. Januar 2014
Zur Eröffnung der Ausstellung mit Christopher und Nick Capozziello am Donnerstag, 14. November 2013 sprachen Loret Steinberg (Professor of Photography, Rochester Institute of Technology) und Lois Lammerhuber (Verleger und Fotograf).

»Wo es Leiden gibt, wollen wir oft die Gründe wissen. Ich möchte Erklärungen, warum einige leiden müssen, andere nicht. Ist es Schicksal oder Zufall oder einfach nur Pech. Wie sollen wir mit Leid umgehen? Ich habe viele Fragen und nur wenige Antworten.« (Christopher Capozziello)

Der Abstand, der zwischen zwei Menschen bestehen kann, lässt sich manchmal in Zeiteinheiten ausdrücken. 180 Sekunden trennen die Zwillinge, doch diese sind entscheidend. Nick erblickt das Licht der Welt etwas später als sein Bruder Christopher Capozziello. Während der Geburt erleidet er eine kurzzeitige Sauerstoffunterversorgung. Das hat fatale Folgen: Eine frühkindliche Hirnschädigung, die sich in Störungen des Nervensystems und der Muskulatur ausdrückt und bei Nick zu plötzlichen spastischen Anfällen führen kann.

Beim Ball spielen zuhause in Milford.
Beim Ball spielen zuhause in Milford. Foto: Christopher Capozziello

Christopher Capozziello fühlt zeit seines Lebens Verantwortung für seinen Bruder und er hadert mit sich. Warum muss Nick im Gegensatz zu ihm ein eingeschränktes Leben führen? Ihm fällt es unendlich schwer, das Unfassbare zu akzeptieren.

Mit der Fotografie verfügt er über ein Mittel, seinen oft unaussprechlichen Empfindungen Ausdruck zu geben. So beginnt er schließlich eine Serie über seinen Bruder und sich. Nicht das Handicap eines jungen Mannes steht in deren Zentrum, sondern das Aufzeigen der engen Beziehung zweier Brüder mit ungleichen Voraussetzungen. In 13 Jahren entstehen immer neue Arbeiten, in denen der Fotograf über seinen Bruder, vor allem aber über sich Erkenntnis gewinnt und zu den für ihn bitter benötigten Antworten gelangt.

An der Veränderung in Nicks Gesichtsausdruck kann man einen beginnenden Anfall schon erkennen, bevor sich sein Körper versteift. Die Krampfanfälle dauern manchmal nur Minuten, manchmal ein paar Stunden – aber sie können sich auch über Tage hinziehen.
An der Veränderung in Nicks Gesichtsausdruck kann man einen beginnenden Anfall schon erkennen, bevor sich sein Körper versteift. Die Krampfanfälle dauern manchmal nur Minuten, manchmal ein paar Stunden – aber sie können sich auch über Tage hinziehen. Foto: Christopher Capozziello

Entgegen seiner ursprünglichen Intention veröffentlicht er die berührende Serie. So dürfen wir teilhaben an den intimen Bildern, wenn Nick in einer Karaoke-Bar singt oder eine Zigarette mit einem Mädchen raucht. Er ist eingeschränkt, aber nie ausgegrenzt. Doch manchmal ziehen dunkle Wolken auf: immer wieder wird Nick von schweren Anfällen heimgesucht und eine schwierige Operation steht an. Capozziello erzählt entwaffnend offen und ohne jegliche Sentimentalität. Die aufgezeigten Momente sind mal bedrückend, mal von leichter Heiterkeit. Christopher lernt, dass die eigene Geschichte unabdingbar mit der seines Bruders verbunden ist und umgekehrt. Es ist eine Geschichte der Hoffnung und eine, die man als Betrachter nicht mehr vergisst.