»Scars of a Lost Humanity«
»Menschen, die im Krieg leben, sind nicht in der Lage, das Grauen des Geschehens zu begreifen, weil es unmöglich ist, damit zu leben.« (Lisa Bukreyeva)
Können Fotos tatsächlich davon erzählen, was derzeit im Ukraine-Krieg passiert? Für die in Kiew lebende Fotografin Lisa Bukreyeva, von der das Zitat stammt, scheint es unmöglich, die Komplexität und den Schrecken des Krieges zu vermitteln. Gleichzeitig befreit diese Erkenntnis die Fotografin, denn sie weiß, dass nichts, was sie tut, ausreicht. Im April 2022, also kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, beginnt sie, fotografisch auf den Ausnahmezustand zu reagieren. Sie arbeitet zunächst an einem Diary, dann an einer Fotoserie über das Leben in den Städten und auf den Dörfern ihrer Heimat.
»Scars of a Lost Humanity« erzählt eine Geschichte über Zerstörung und nie verheilende Wunden des Krieges. Ihre Fotos treffen die Betrachtenden vor allem auf einer Gefühlsebene. Sie führen die Verheerungen vor, die der Krieg anrichtet: lebenswichtige Infrastrukturen wie Krankenhäuser und Schulen werden zerstört, selbst vor Spielplätzen wird nicht haltgemacht und auch die Verwüstungen in der Natur, auf Feldern und in Wäldern scheinen irreparabel. Dazu zeigt die Fotografin kriegsgeplagte Menschen, die ohnmächtig zusehen müssen, wie sich die Situation für sie sukzessive verschlechtert.
»Man läuft buchstäblich durch Granatsplitter, Scherben von Häusern, (sieht) Kinder, die aussehen, als hätten sie schon ein paar Leben hinter sich. Sie haben Dinge gesehen, die niemand sehen sollte.«
Ein Ende der Kämpfe ist nicht in Sicht, weil es der Armee an allem fehlt: an Munition, Granaten, Fahrzeugen, Raketen, Panzern und Marschflugkörpern. Mühsam zurückeroberte Gebiete müssen derzeit wieder den russischen Aggressoren überlassen werden. Lisa Bukreyeva schildert den Kriegsalltag auf ihre ganz eigene Weise. Ihre Arbeiten sind nachdenklich, fast kontemplativ und doch so überaus eindringlich. Sie zeugen von dem Horror eines unbegreiflichen Krieges.