Marienborner Elegie
Es ist einer der ältesten Wallfahrtsorte Deutschlands. Doch bekannt ist Marienborn für etwas anderes: In den siebziger Jahren wurde Helmstedt-Marienborn von der Führung der DDR als wichtigster Grenzübergang zwischen Ost und West auserkoren. An der Transitstrecke zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin entstand daraufhin eine Festung, in der zuletzt fast 1.000 Grenzsoldaten, Zöllner, Stasimitarbeiter und Zivilangestellte ihren Dienst taten.
Den westdeutschen Fotografen Martin Langer zieht es in der Nachwendezeit immer wieder an diesen Ort, der wie kaum ein anderer von den radikalen gesellschaftlichen Umwälzungen gezeichnet ist. Der Fotograf ist fasziniert von dem, was er vorfindet: verwüstete Grenzanlagen, triste Kasernen, einst für DDR-Grenztruppen vorgesehen, in denen jetzt ein paar Geflüchtete aus dem ehemaligen Jugoslawien untergebracht sind. Der Leere der Gebäude steht eine innere Leere der Dorfbewohner gegenüber, die sich nur schwer in der neuen Zeit zurechtfinden.
Immer wieder durchstreift Martin Langer Marienborn, lernt die Einheimischen kennen, steht mit ihnen auf dem Fußballplatz, beim Schlachten oder in der Kneipe. Die Alten warten auf den mobilen Tante-Emma-Laden, die Jungen darauf, dass irgendwas passiert. Seine Bilder geben die Psychologie jener Zeit subtil und stimmig wieder und erzählen viel über das, was gemeinhin als Abwicklung der DDR bezeichnet wird. In ihrer Tragikomik bildet die »Marienborner Elegie« ein breites Panorama exemplarischer Schicksale ab und stellt ein ideales Gegengift zu all dem verklärenden Pathos dar, der uns zum 25. Jahrestag des Mauerfalls derzeit begegnet.