1. November - 20. Dezember 2018
Florian Müller

Hashtags Unplugged – Von Lastern und Leitmotiven

1. November - 20. Dezember 2018
Die Ausstellung wurde am Donnerstag, 1. November 2018, in Anwesenheit des Fotografen eröffnet. Es sprach Francesco Giammarco, freier Journalist, u.a. für Die Zeit und Spiegel Online.

Hier kann jeder sein, was er will. Instagram ist für viele nach wie vor ein einziges großes Versprechen, ein Freiraum, der alle Formen der Selbstdarstellung zulässt. Auf der Suche nach Bewunderung, Zuspruch oder auch Mitgefühl schlüpfen vor allem junge Menschen in eine Rolle, die sie oft mit riesigem Aufwand und bis zur Erschöpfung ausfüllen, um den Kreis ihrer Bewunderer zu steigern. Allein die Anzahl der Follower und Likes bestimmen über den Erfolg in der postprivaten Öffentlichkeit des sozialen Netzwerkes. Das Sehnen nach Anerkennung ist riesig – Instagram ist die virtuelle Bühne, auf der sich all das zu erfüllen scheint, was im Alltag immer nur den Anderen vorbehalten ist.

#jugendsuenden – nach schweren Rückschlägen gibt sich Rafael geläutert: »Ich habe mich vor mir selbst geekelt«, sagt er rückblickend. Gern würde er vieles von dem ungeschehen machen, was er anderen, aber auch sich selbst angetan hat. Foto: Florian Müller

Aber wer sind die Akteure, die sich Draphiee, Pomshine und Fleischbasar nennen? Florian Müller hat lange recherchiert und schließlich hunderte Instagrammer kontaktiert. Einige waren bereit, sich ihm außerhalb ihres Accounts zu offenbaren. Die Arbeit des Fotografen ist von einem Narrativ bestimmt, das überrascht und immer wieder mit Vorstellungen bricht, die man mit der Welt der sozialen Netzwerke verbindet.

Während die Instagrammer bestrebt sind, die Selbstdarstellung der eigenen Persona nach außen hin bis ins kleinste Detail zu kontrollieren, zeigen Florian Müllers Serien einen Alltag, der im Kontrast zur geschönten Bilderwelt Instagrams steht und der von einer merkwürdig provozierenden Normalität bestimmt ist. »Hashtags Unplugged« erzählt mit viel Empathie Geschichten über die Inszenierungen der Akteure und deren mannigfaltigen Motive, bestimmte Bilder von sich vermitteln zu wollen, aber auch über die Rückwirkung der zumeist idealisierten Abbilder auf das private Ich.

Das #selfie zeigt, worum es im Darstellungskult wirklich geht: das kuratierte Selbst der User. @draphiee benötigt bis zu 50 Auslösungen, bis sie mit dem Bild von sich zufrieden ist, das die Welt auf ihrem Account zu sehen bekommt. Foto: Florian Müller
Info

Florian Müller

Florian Müller (geb. 1982) hat Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover studiert. Seine Arbeiten sind in zahlreichen Magazinen veröffentlicht und mit wichtigen Preisen ausgezeichnet worden. Neben seiner Auftragsarbeit beschäftigt er sich mit aufwendigen Langzeitprojekten, die er in der Tradition der sozialdokumentarischen Reportagefotografie realisiert, ohne dabei die aktuellen Herausforderungen der Fotografie aus dem Blick zu verlieren.
In seinen Projekten stehen der Mensch und seine individuelle Lebenswirklichkeit im Fokus. Florian Müller sucht und findet seine Themen in unterschiedlichen sozialen Mikrokosmen, die immer auch einen größeren, gesellschaftlich relevanten Kontext widerspiegeln. »Hashtags Unplugged« ist sein jüngstes Projekt, das auf dem Lumix Festival für jungen Fotojournalismus 2018 mit dem FREELENS Award ausgezeichnet wurde.
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