Deutschland im März
1983 ist das Jahr, in dem die Angst vor dem Atomkrieg wächst. Die schlechte wirtschaftliche Lage auf dem Weltmarkt führt zu einer Krise der Stahl- und Werftindustrie. Die Arbeitslosenzahlen nehmen deutlich zu. Die Grünen ziehen erstmals als politische Kraft in den Bundestag.
Im Vorfeld der Bundestagswahl fragt der Stern den Hamburger Fotografen Robert Lebeck, ob der ein Stimmungsbild der Republik einfangen könne. Ohne genauen Plan fährt der Fotograf los. Doch schon nach kurzer Zeit ergeben sich die Motive. Am Ende druckt der Stern seine Bilder auf 12 Doppelseiten. Es wird die größte Reportage, die Lebeck im Magazin je veröffentlichen sollte.
Und eine der stärksten, denn Lebeck legt mit seinen Bildern den Finger direkt in die Wunde. Auf dem Eröffnungsbild sieht man einen Mann, der sich aus übriggebliebenen Abfällen des Fischmarktes bedient, um seinen Hunger zu stillen. Kontrastiert wird es mit einer Szene vom Ball des Sports, ein gesellschaftliches Großereignis, bei dem sich die geladenen Gäste mit lukullischen Kostbarkeiten verwöhnen lassen.
Lebecks Ansichten sind skurril und tun gleichzeitig weh. Es gibt eine Szene des sterbenden Walds. Das Problem des sauren Regens treibt die Menschen damals stark um. In Berlin kriegt er einen Künstler vor die Kamera, der eine Landschaft mit einem darüber schwebenden Hakenkreuz malt. Die Schatten der Vergangenheit scheinen lang. In einer weiteren Szene sieht man eine brennende US-Flagge als Ausdruck der Angst vor der Stationierung von Atomraketen.
Der Fotograf zeichnet in seiner Reportage ein schonungsloses Bild einer Republik, was viele Reaktionen hervorruft und ihm den Ruf eines Nestbeschmutzers einbringt. Mit dem zeitlichen Abstand von dreieinhalb Jahrzehnten kann die Reportage heute als ein Höhepunkt im Werk des Fotografen und des Bildjournalismus in Deutschland bezeichnet werden.
Am 21. März 2019 wäre Robert Lebeck 90 Jahre alt geworden. Die FREELENS Galerie ehrt den Fotografen und eröffnet an diesem Tag eine Ausstellung, in der die Serie »Deutschland im März« plus zahlreiche weitere, bisher unveröffentlichte Bilder aus der Reportage gezeigt werden.