Kriegs-, Krisen- & Konfliktfotografie
Schwerpunktthema

Vom Kriege: Eine Begriffsdefinition

Wenn wir über die Kriegsfotografie sprechen, liegt es nahe, sich die Bedeutung des Wortes Krieg näher anzusehen. Denn was zeichnet einen Krieg eigentlich aus? Wodurch unterscheidet er sich von einem Konflikt oder einer Krise? Welche Rolle spielt die Gewalt? Und wie lässt sich davon der Frieden abgrenzen? In Zeiten, in denen Terroranschläge als Kriegserklärung gewertet werden und ein »Bilderkrieg« ausgerufen wird, erscheint es wichtiger denn je, sich über Bedeutung und Sinngehalt dieser Begriffe zu verständigen.
Text – Felix Koltermann

Für den preußischen General von Clausewitz war der Krieg »ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen«. Sein Buch »Vom Kriege« gilt als ein Standardwerk der Kriegstheorie. Zu Clausewitz Zeiten war Krieg ein legitimes Mittel politischen Handelns. Dies spiegelt auch sein wohl bekanntestes Zitat wieder: »Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln«. Mehr als 200 Jahre nachdem Clausewitz dies niederschrieb, existiert mit den Vereinten Nationen eine multinationale Ordnung, die theoretisch den Krieg ächtet und mit dem humanitären Völkerrecht klaren Regeln unterwirft. Gleichwohl bedeutet dies mitnichten die Abwesenheit von Krieg.

Der Begriff der Kriegsfotografie hat sich als eine Genre-Bezeichnung etabliert, die ganz allgemein die visuelle Darstellung von Krieg umfasst. In der Regel wird damit entweder rückblickend das Werk von einzelnen Fotograf*innen und die visuelle Dokumentation bestimmter Kriege etikettiert oder eine bestimme Arbeitspraxis beschrieben. Wie andere Genre-Bezeichnungen auch ist der Begriff der Kriegsfotografie mit einer gewissen Unschärfe gesegnet. Dies zeigt sich etwa an der Frage, ob Bilder, die Alltag im Krieg zeigen, noch in diese Kategorie fallen.

Eine der gängigsten Definitionen von Krieg stammt von der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Kriegsursachenforschung (AKUF). Sie definiert Krieg als einen gewaltsamen Massenkonflikt, der folgende Merkmale ausweist: an den Kämpfen sind zwei oder mehr bewaffnete Streitkräfte beteiligt (bei denen es sich mindestens auf einer Seite um reguläre Streitkräfte handelt), bei den Konfliktparteien ist ein Mindestmaß an zentralgelenkter Organisation vorhanden und es finden kontinuierlich bewaffnete Operationen statt. Gewaltsame Auseinandersetzungen, bei denen diese Kriterien nicht voll erfüllt sind, bezeichnet die AKUF als bewaffneten Konflikt. Andere Institutionen, wie das Heidelberger Institut für Konfliktforschung (HIIK), bezeichnen bewaffnete Konflikte auch als Krise. Laut HIIK sind Krisen und Kriege damit als ein Kontinuum politischer Konflikte anzusehen.

Dabei ist vor allem die Krise ein schillernder Begriff und in der heutigen Mediengesellschaft häufig gebraucht. Meist wird darunter jedoch kein bewaffneter Konflikt verstanden, sondern eine schwierige Lage und damit laut Duden eine Situation, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt. So können sowohl die Migrations- und Fluchtbewegung nach Europa seit 2015 als auch die Finanzprobleme der Europäischen Währungsunion im Jahr 2010 als Krise gelabelt werden. Etwas präziser wird der Begriff Krise in der Organisationskommunikation verwendet, wo er unvorhergesehene und unklare Situationen umfasst, die die Reputation oder den Fortbestand einer Organisation in Frage stellen.

Aufschlussreich ist es, sich den Konfliktbegriff noch einmal genauer anzusehen. Denn anders als im alltäglichen Sprachgebrauch, wo Konflikt oft mit den Adjektiven schädlich oder schlecht versehen wird, ist er in der Konfliktforschung erst einmal nicht negativ belegt: Konflikte werden dort als elementarer Bestandteil des menschlichen Zusammenlebens angesehen. Im Vordergrund steht damit nicht die Frage ob Konflikte existieren, sondern wie sie ausgetragen werden. Aus dieser Perspektive ist beispielsweise das demokratische System in Deutschland eine Form, Interessenkonflikte zu regeln und weitestgehend gewaltfrei auszutragen. Zum Problem werden Konflikte erst, wenn eine gewaltfreie Austragung nicht mehr möglich ist und sie in (direkte) Gewalt umschlagen.

Mauern und Grenzzäune, wie hier an der grünen Linie in der geteilten Stadt Nikosia auf der Mittelmeerinsel Zypern, sind eine gern genutzte Möglichkeit, Konflikte einzufrieren. Gleichzeitig stellen sie aber auch eine Form struktureller Gewalt dar. Sie verhindern Mobilität, zementieren Trennung und sind Teil eines Verständnisses von Sicherheit, das auf Verteidigung und Abschreckung setzt. Foto: Jiro Ose/Redux/laif

Einer weiteren Klärung bedarf auch der Gewaltbegriff. Denn während Gewalt in der Regel mit physischen Übergriffen gleichgesetzt wird, gibt es auch hier weitere Differenzierungsmöglichkeiten. So lässt sich zwischen sichtbarer und unsichtbarer Gewalt, physischer und psychischer Gewalt, direkter und indirekter Gewalt, individueller und kollektiver Gewalt sowie legitimer und illegitimer Gewalt unterscheiden. Während im Krieg direkte physische Gewalt, die auf Schädigung und Tötung Anderer aus ist, die sichtbarste Form der Gewalt darstellt, bleibt psychische Gewalt über Einschüchterung und Drohung meist unter der Schwelle der Sichtbarkeit. Gleiches gilt für Formen kultureller Gewalt, mit denen über Texte oder Lieder Gewaltanwendungen legitimiert werden.

Schaut man etwas genauer auf die Beschaffenheit von Krisen und Kriegen seit dem Ende des Kalten Krieges, so gibt es einige Veränderungen zu beobachten. Diese können mit den Stichworten »Asymmetrischer Krieg« oder »Krieg niederer Intensität« gefasst werden. Der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler hat dafür auch den – durchaus umstrittenen – Begriff »Neue Kriege« geprägt. Seine zentrale Beobachtung ist, dass viele zeitgenössische Kriege nicht mehr als zwischenstaatliche Massenkriege auf dem Schlachtfeld ausgetragen werden, wie noch der Erste und der Zweite Weltkrieg. Stattdessen kämpfen guerillaartig organisierte Gruppen, wie etwa die Taliban in Afghanistan, gegen staatliche Armeen und setzen dabei unter anderem terroristische Mittel ein.

Was hat all dies nun mit der Kriegsfotografie zu tun? Zuerst einmal sind mit einem Krieg, einer Krise oder einem Konflikt unterschiedliche Herausforderungen für die Arbeit von Fotojournalist*innen verbunden. Die Art des Konflikts und seine Gewalthaltigkeit entscheiden des Weiteren mit darüber, über welche Ereignisse er sich manifestiert. Dies beeinflusst auch die Sicht- oder Unsichtbarkeit eines Konflikts. Die involvierten Akteure hingegen geben Auskunft über die Sicherheitslage. Aber auch über die Arbeitsbedingungen hinaus gibt es Effekte. So kann eine analytische Beschäftigung mit Konflikten beim Aufdecken von »unterbelichteten« Themen und nichtbeachteten Akteuren helfen sowie als Frühwarnsystem für zukünftige Krisen und Kriege dienen.

Info

Informationsportal Krieg und Frieden

Das Portal visualisiert eine Vielzahl von Datensätzen von weltweiten Rüstungsausgaben bis hin zu UN-Friedensmissionen über Karten und Grafiken. Dazu gibt es kurze erklärende Hintergrundtexte. Es wird von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) zusammen mit dem Bonn International Center for Conversion (BICC) betrieben.

https://sicherheitspolitik.bpb.de/

 

Uppsala Conflict Data Program

Diese interaktive Karte bietet Zugang zu Konfliktregionen weltweit mit Zahlen von Kriegsopfern. Dazu gibt es Hintergrundinformationen zu den einzelnen Konflikten und Konfliktakteuren. Die Daten stammen vom »Department of Peace and Conflict Research« der Universität im schwedischen Uppsala.

http://ucdp.uu.se/


Felix Koltermann ist promovierter Kommunikationswissenschaftler und arbeitet zu den Themen internationaler Fotojournalismus, visuelle Medienkompetenz und zeitgenössisches Fotobuch. Zuletzt hat er das Buch »Fotoreporter im Konflikt – Der internationale Fotojournalismus in Israel/Palästina« beim Verlag Transcript publiziert. Er betreibt den Blog »Fotografie und Konflikt« und ist als freier Journalist unter anderem für die Zeitschrift Photonews tätig. Auf Twitter und Instagram ist er unter @fkoltermann zu finden.