Kriegs-, Krisen- & Konfliktfotografie
Schwerpunktthema

Ins Netz gegangen #04: Linktipps zur Kriegs-, Krisen- & Konfliktfotografie

Für unsere letzte Folge von »Ins Netz gegangen« weiten wir den Blick auf die Kriegsfotografie etwas aus. So geht es ausgehend vom Drohnenkrieg über dem Gazastreifen um die Visualisierungsmöglichkeiten dieser Form abstrakter Gewalt. Die privaten Bilder von deutschen ISAF-Soldaten zeigen hingegen eine eher unbekannte Seite des Krieges am Hindukusch. Und während mit Matthias Bruggmann die Kriegsfotografie wieder ins Museum einzieht, wird mit der Online-Plattform »Narratives of Change« ein Projekt vorgestellt, das einen ganzheitlichen Blick auf Georgien versucht. Den Abschluss bildet ein leidenschaftliches Plädoyer für Diversität und Ausgewogenheit beim Geschichten erzählen.
Text – Felix Koltermann
1. Unbemannter Luftkrieg über Gaza

Der Krieg mit Drohnen ist heute Alltag, ob von Seiten Israels über dem Gazastreifen, oder der USA in Afganistan, im Jemen oder in Syrien. Am Beispiel Israels und des Gazastreifens haben die beiden Fotografen Daniel Tepper und Vittoria Mentasti versucht, dem Phänomen auf den Grund zu gehen. Sie zeigen nicht nur die anonymen Produktionsstätten und Kontrollräume in Israel, sondern auch Porträts der Opfer im Gazastreifen. Und über Bilder mit Infrarotkameras versuchen sie sich auch visuell der Optik und Logik der Drohnen anzunähern.

https://www.bjp-online.com/2018/07/gaza-drones/

2. Private Bilder von ISAF-Soldaten

Wenn es um Alltag im Krieg geht, dann betrifft dieser nicht nur die lokale Bevölkerung, sondern – wie etwa im Fall von Afghanistan – auch die dort stationierten ausländischen Soldaten. Ausgehend von Bildern ihres Vaters hat sich die Kulturwissenschaftlerin Melina Scheuermann auf der Plattform Visual History mit der Frage beschäftigt, was deutsche ISAF Soldaten mit ihren privaten Bildern erzählen. Was man auf den Fotos sieht, das ist der Alltag im Lager, der Garten, die Feldbetten. Im Vordergrund stehen die Erinnerungsfunktion der Fotos und die Erfahrungsvermittlung des Kriegseinsatzes, aber ohne den Krieg selbst zu zeigen.

https://www.visual-history.de/2018/07/19/bilder-des-alltaeglichen-im-krieg/

3. Matthias Bruggmann – An Act of Unspeakable Violence

Die Frage, ob die Kriegsfotografie ins Museum gehört, ist und bleibt streitbar. Mit der Verleihung des Prix Elysée aus Lausanne im Jahr 2018 an den Schweizer Fotografen Matthias Bruggmann, wurde gleichsam ein neues Kapitel aufgeschlagen. Eine Provokation sind Bruggmanns Bilder vor allem wegen ihrer eigentümlichen Distanz und künstlerischer Entrücktheit. Ob es dabei um einen »Act of Unspeakable Violence« geht, wie es der Fotograf mit dem Titel der Ausstellung sowie des dazugehörigen Fotobuchs suggeriert, muss jeder für sich selbst entscheiden. Einen guten Einstieg dazu bietet die Rezension von Daniele Muscionico.

https://www.nzz.ch/zuerich/bilder-die-niemand-sehen-will-syriens-tote-haben-ein-gesicht-ld.1429597

4. Archive of Transition – Narratives of Change in Georgia

Georgien hat seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine wechselvolle Geschichte hinter sich. In einem internationalen Kooperationsprojekt junger Fotograf*innen, Künstler*innen und Journalist*innen standen die damit verbunden Narrative des Wandels im Vordergrund. Unterstützt vom Goethe Institut, dem internationalen Volkshochschulverband und verschiedenen Hochschulen ist eine multimediale Online-Plattform entstanden, die zum Browsen einlädt und verschwundene Orte zeigt sowie Changemaker vorstellt. Im Schweizer Niggli Verlag ist zum Projekt auch ein gleichnamiges Buch erschienen.

http://archiveoftransition.org/

5. Chimamanda Ngozi Adichie – The danger of a single story

Nicht nur der Journalismus und der Fotojournalismus leben vom Geschichten erzählen, auch in unserem Alltag strukturieren wir unser Erleben über das Storytelling. So entwickeln sich zum Erlebten und Gesehenen immer neue Narrative und damit auch mehr oder weniger komplexe Zuspitzungen. Dass damit – vor allem in Nord-Süd-Kontexten – auch eine »danger of a single story« verbunden ist, zeigt eindrucksvoll der TED-Talk der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie aus dem Jahr 2009. Bis heute ein eindrucksvolles Dokument gegen eine Simplifizierung, die Rassismus und Ausgrenzung Vorschub leistet.

https://www.ted.com/talks/chimamanda_adichie_the_danger_of_a_single_story


Felix Koltermann ist promovierter Kommunikationswissenschaftler und arbeitet zu den Themen internationaler Fotojournalismus, visuelle Medienkompetenz und zeitgenössisches Fotobuch. Zuletzt hat er das Buch »Fotoreporter im Konflikt – Der internationale Fotojournalismus in Israel/Palästina« beim Verlag Transcript publiziert. Er betreibt den Blog »Fotografie und Konflikt« und ist als freier Journalist unter anderem für die Zeitschrift Photonews tätig. Auf Twitter und Instagram ist er unter @fkoltermann zu finden.