Ausstellung in der GAF
Bachelor 2022/23 HS Hannover

What’s left of photography?

25. Januar - 5. Februar 2023

Die Absolvent*innen-Ausstellung des Bachelorstudiengangs Visual Journalism and Documentary Photography der Hochschule Hannover beschäftigt sich in diesem Jahr mit den Begriffen der Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit. Mal inhaltlich mit Blick auf den Menschen und seinem Verhältnis zur Natur, mal reflexiv, bezogen auf die eigene fotografische Praxis und deren Auswirkungen auf die Welt. Was bleibt von den Bildern, mit denen wir erinnern und konservieren, Fragen stellen und Antworten geben wollen?

Dimi Anastassakis beschäftigt sich in seiner Arbeit »LGBTIQ-Community in Deutschland« mit der Lebensrealität von Millionen von Menschen, für die sich ein Gang in den öffentlichen Raum zur Mutprobe gestalten kann. Das Maß von Diskriminierungen und Gewalt-Übergriffen auf Menschen der LGTBIQ-Community macht Deutschland zum Spitzenreiter im europäischen Vergleich. Anastassakis‘ fotografischer Einblick in das Leben der Menschen, versteht sich als Mosaikstein der Aufklärung.

Urbane Oasen, naturbelassenen Parks am Rande des Wienerwalds und die Altarme der Donau stehen im Zentrum von Sophia Aigners Projekt »Gemma Park«. Sie beschäftigt sich mit der Vielseitigkeit dieser Orte und stellt die Parks als Lebensraum in den Mittelpunkt. Die Fotografin möchte die Besucher*innen einladen, sich »auf’s Bankerl« zu setzen, in die Fotos einzutauchen und sich dabei den Geräuschen des Parks hinzugeben.

Aus der Arbeit »LGTBIQ-Community in Deutschland«. Foto: Dimi Anastassakis

Auch Moritz Gebhardts »Softlink« findet in der vermeintlich grünen Idylle statt. Der Fotograf mäht den Rasen seines Vorstadthäuschens, vorsichtig umfährt er die Blumenbeete. Seine beiden Kinder spielen, Oma passt auf. Es ist ein erlerntes Ideal, eine Illusion, die zu kippen droht; etwas stört das Paradies. Die vermeintliche Realität bröckelt und plötzlich befinden sich die Betrachter*innen in einem Schauspiel, denn eines der Kinder ist der Fotograf selbst.

Felix Burchardt greift das Misstrauen in die Sprache der Bilder in seiner Arbeit »Looking for Language« auf, die, wie man es auch versucht zu umgehen, immer der widersprüchlichen, sich selbst verschlingenden Logik des Kapitalismus unterliegt. Doch was bleibt? Wo sind die Räume für eine sinnvolle Sprache? Bilder: analog und digital, in Bewegung und direktem und ständigem Austausch mit Datensätzen, und auf der Suche nach Sinnhaftigkeit.

Ebenso politisch aktuell, jedoch anhand eines persönlichen Schicksals, begann Chantal Seitz Arbeit »Stay safe out there« mit einem Brief an Collin Davis, den Bruder ihres Partners, der seit 17 Jahren im US-Staat Kalifornien im Gefängnis sitzt. Der Brief stellte die simple Frage  »Was willst du sehen?«, welche anschließend einen monatelangen Dialog über Bilder auslöste.  Collin aus der Distanz hinter die Kamera zu holen, ist nicht nur eine künstlerische und journalistische Annäherung an ein Familienmitglied und dessen Geschichte. Es ist auch der Versuch, die Trennung zwischen Gefängnis und Außenwelt aufzubrechen, die Collin bereits sein halbes Leben lang erfahren muss.

Mit Benjamin Thiemes Arbeit »Pestizide in Costa Rica« bleiben wir auf dem amerikanischen Kontinent. Fast keine Nation der Welt setzt so viele Pflanzenschutzmittel ein, wie das mittelamerikanische Land. 34,45 kg werden pro Hektar pro Jahr verteilt, von denen 20 zu den weltweiten gefährlichsten gehören, weil sie verdächtigt sind, Krankheiten wie Krebs auszulösen. Viele sind in Deutschland verboten, werden aber hauptsächlich für Exportprodukte wie Ananas, Bananen, Kaffee und Palmöl eingesetzt, die wiederum für den europäischen Markt angebaut werden.

Aus der Arbeit »Armenien – ein Land bringt sich in Stellung«. Foto: Patrick Slesiona

Patrick Slesionas Serie »Armenien – ein Land bringt sich in Stellung« erzählt von der umstrittenen Region Bergkarabach, die seit 2020 kriegerisch umkämpft ist und wie sich der Konflikt am 13. September 2022 auch auf Armenisches Staatsgebiet ausgeweitet hat.  Seither ringen Russland, die USA und die Europäische Union um Vermittlung. Angesichts eines neuen Gasdeals der EU mit Aserbaidschan, fühlen sich die Armenier*innen von der internationalen Gemeinschaft mehr und mehr allein gelassen. Armenien kämpft ums Überleben, während Ursula von der Leyen Aserbaidschan als »vertrauensvollen Partner« bezeichnet. Aufgeben und wegziehen wollen aber nur die wenigsten.

Seit Beginn der feministischen Revolution in Iran findet sich auch die iranische Diaspora in einem Ausnahmezustand wieder. In Berlin haben sie sich in neu gegründeten Kollektiven zusammengefunden, machen auf die Situation in sozialen Medien aufmerksam, organisieren Performances und Demonstrationen. Sie teilen den Schmerz, die Trauer, die Hoffnung. Lautstark rufen sie: »Jin*, Jiyan, Azadî!« , »Frau, Leben, Freiheit!«
Ihre persönlichen Erlebnisse dieser Zeit des Widerstands tragen zu einer kollektiven Erinnerung bei. Sie machen nicht nur vielfältige Unterdrückungsverhältnisse sichtbar, sondern zeigen auch Möglichkeiten auf, sich davon zu befreien. Laila Sieber begleitet  sie mit ihrer Arbeit »Jin*, Jiyan, Azadî | Diaspora of a Revolution«.

Marcus Wiechmanns »Was war wird bleiben« blickt zurück auf Deutschlands Vergangenheit im Nationalsozialismus und wie sie sich die 12 Jahre auf unser Heute auswirkt . Wiechmann schaut auf die Städte Bremen und Hamburg, und inwiefern heute noch die Zeit aufgearbeitet und an diese erinnert wird. Aktuelle Themen, Konflikte und Diskussionen werden durch Portraits von engagierten Personen dargestellt und mit Bildern von Orten und Veranstaltungen wie etwa Kriegsgrabstätten und Mahnwachen gezeigt, an denen sich Gedenken und Aufarbeitung manifestieren. Mehr als nur ein »Vogelschiss« in der Geschichte.

Aus der Arbeit »Was war wird bleiben«. Foto: Marcus Wiechmann

Irving Villegas dreht die Kamera weg von der Straße, zurück nach Drinnen und auf das Verhältnis von Künstler*in und seinem/ihrem Arbeitsraum. Das Atelier ist ein Zuhause, hier entstehen Ideen, setzen sich Materie, Form und Farbe in Konkretes um. Ergänzt durch Interviews, wird so eine neue Perspektive auf den Begriff der Arbeit als Künstler*in, die Geschichten hinter dem künstlerischen Schaffen und der Verortung im Raum geschaffen.

Zuletzt stellt sich Niklas Viola in der Arbeit »Canonical Photography« die Grundsatzfrage der Fotografie: Was ist ein gutes Bild und warum ist es ein gutes Bild? Welchen Lebensweg nimmt eine Fotografie und welche Wirkung erzeugt sie in der Welt? Was haben wir für Marker gefunden, solche Fotografien als »gut« zu kennzeichnen und zu prämieren? Zwischen den Bilderfluten und Automatisierungsprozessen scheinen sie nach oben zu treiben. Als eine Art Widerspruch zur Massenhaftigkeit von Fotografien im zeitgenössischen Kontext. Aber wie widersprüchlich oder nicht ist ein gutes Bild und wie viel von ihm ist vorherbestimmt, bevor das Bild entsteht?

Aus dem Projekt »Canonical Photography«. Foto: Niklas Viola

25. Januar bis 5. Februar 2023
What’s left of photography?
Eröffnung am 25. Januar 2023 um 19 Uhr

Galerie für Fotografie (GAF)
Seilerstraße 15d
30171 Hannover
www.gafeisfabrik.de

Öffnungszeiten
Die Ausstellung ist während der gesamten Laufzeit täglich von 12-18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.