»Hashtags Unplugged – Von Lastern und Leitmotiven« in der GAF
Likes, Follower und Reposts sind heute die messbaren Parameter des sozialen Erfolgs. Es scheint kaum eine Nische zu geben, sei sie auch noch so kontrovers besetzt, die nicht irgendwo ihren tosenden digitalen Applaus in den sozialen Netzwerken bekommt. Kurzlebige Schönheitsideale, eine ungezügelte Sexualität und maßlose Selbstoptimierung werden in der postprivaten Öffentlichkeit sozialer Netzwerke zur Aufwertung der eigenen Existenz gefeiert als gäbe es kein Morgen mehr.
Die Laster von einst sind zu den Leitmotiven im Jetzt geworden. Doch Instagram ist nicht nur das Sündenbabel einer Generation von Hedonisten und Narzissten, die den Exzess auf dem Scheiterhaufen der Moral feiert, es ist auch der Ort, an dem sich andere abwerten, um ein wenig Menschlichkeit in Form von Zuspruch und Mitgefühl zu erhaschen, die in der echten Welt nicht für sie vorgesehen scheint. Wieder andere vermitteln mit ihren Bildern die Sehnsüchte nach einer besseren Welt. Das Credo des Selbstdarstellungskults unserer Tage scheint zu lauten: Wir haben alle Freiheiten. Wir müssen uns nur entscheiden, wer wir sein wollen.
Auf der sinnstiftenden Suche nach sich selbst nehmen viele Instagrammer eine Identität an, die oft schonungslos auf ihr Selbst in der Realität zurückwirkt. Die neue öffentliche Selbstenthüllung und Erzähllust brechen das einstige Konzept von Privatsphäre. Alle wollen herausstechen, gesehen werden, bedeutsam sein und mäandern unter der wachsamen Beobachtung ihrer Follower zwischen exzentrischen und konformistischen Ideen ihrer selbst hin und her. Zwischen grellbuntem Eskapismus und fahlgrauer Alltagsödnis, Thigh Gap und Gender Gap, Kätzchen und Zimmerpflanzen ist alles möglich. Hauptsache, es gibt ein Bild davon.
Nach seiner Ausbildung zum Mediengestalter studierte der 1982 geborene Florian Müller an der Hochschule Hannover, an der er seit 2015 als Lehrbeauftragter im Studiengang »Fotojournalismus und Dokumentarfotografie« tätig ist. Neben der freien Arbeit für Redaktionen, Nichtregierungsorganisation und Stiftungen, treibt er teils aufwändige selbstinitiierte Fotoprojekte voran. Dabei steht für ihn immer die individuelle Lebenswirklichkeit seiner Protagonisten im Fokus, ohne dass er dabei das gesellschaftliche große Ganze aus dem Auge verliert.
»Hashtags Unplugged – Von Lastern und Leitmotiven« wurde durch ein Stipendium der Stiftung Kulturwerk der VG Bild-Kunst unterstützt.
Florian Müller
»Hashtags Unplugged – Von Lastern und Leitmotiven«
17. Oktober bis 24. November 2019
Vernissage am 16. Oktober 2019 um 19 Uhr
Galerie für Fotografie
Seilerstraße 15d
30171 Hannover
gafeisfabrik.de
Öffnungszeiten
Donnerstag bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr