Ausstellung
Sven Creutzmann

Cuba – die unendliche Revolution

28. August - 9. Oktober 2022

Ja, natürlich stimmt es, dass Cuba ein gut strukturiertes Gesundheits- und Bildungssystem hat, und all das gratis. Und ja, es stimmt auch, dass das Land seit vier Jahrzehnten unter dem Embargo der USA leidet. Aber erklärt das alle Missstände im Land? Nein, denn es stimmt eben auch, dass viele Probleme des Landes hausgemacht sind. Die Cubaner*innen sprechen daher von zwei Embargos, dem vom Washington verfügten und dem internen, weil die eigene Regierung sich unter anderem so schwer damit tut, die Produktivkräfte der Privatwirtschaft endlich zu entfesseln. Cuba, …Si, pero no…. ein Land voller Widersprüche.

Seit über 30 Jahren dokumentiere ich die cubanische Revolution mit meiner Kamera, aber diese Fotos der Revolution des Fidel Castro entstanden in sechs grundsätzlich verschiedenen Ländern.

Das erste Cuba, das ich kennenlernte, war das Cuba Ende der 80er Jahre. Es war die Zeit vor der großen Implosion der Sowjetunion, die Cuba seit den 60ern kräftig subventionierte, und in Cuba hatten Löhne und Gehälter noch einen Wert, man konnte sich ein Essen in einem guten Restaurant leisten, und auf das Bezugsscheinheft, die Libreta, gab es günstig Lebensmittel, Kleidung, Zigarren und sogar Rum.

Valentin und Clara feiern Weihnachten 1992 mit Che Guevara und Weihnachtsbaum. Foto: Sven Creutzmann

Dann lernte ich das zweite Cuba kennen, Anfang der 90er. Die Schockwellen des auseinanderfallenden Kommunismus in Europa brachen über Cuba ein, bis zu 18 Stunden Stromabschaltungen wurden zum fast unerträglichen Alltag und Fidel Castro rief die Periodo Especial aus, die »Sonderperiode«, nichts ging mehr.

In einem verzweifelten Versuch, zu retten, was zu retten war, verkündete Castro 1993 persönlich dann seinem Volk die bittere Maßnahme, die das dritte Cuba einleiten sollten: die Freigabe des bis dahin verbotenen und verhassten US-Dollars, was aber trotz allem nicht genug war, um den massenhaften Exodus von 1994 zu verhindern, bei dem über 35.000 Cubaner*innen auf selbstgebauten Flössen die Insel verließen.

Schließlich jedoch zeigte die »Dollarisierung« der cubanischen Wirtschaft und die Öffnung für westlichen Tourismus Wirkung, und Ende der 90er stabilisierte sich das Land wieder, die Stromabschaltungen waren Vergangenheit, und Cuba wurde wiederum ein völlig anderes Land, das vierte.

Fidel Castro, Präsident von Kuba, 2006 bei einer Rede während der Zeremonie, in der Hugo Chavez, Präsident von Venezuela, den Jose-Marti-Preis der UNESCO für seine Bemühungen im Bildungsbereich erhielt. Foto: Sven Creutzmann

Das fünfte Cuba ist die Zeitenwende des Rückzugs des Revolutionsführers, des Comandante en Jefe. Während einer Rede 2006 erkrankt Fidel schwer, muss kurz darauf alle Regierungsgeschäfte an seinen Bruder Raul delegieren, der dann 2008 endgültig auch neuer Präsident Cubas wird. Dieser leitet still Revolutionäres ein, man spricht mit Washington, die Botschaften werden wieder eröffnet, und 2016 besucht Barack Obama als erster US-Präsident Cuba. Kurz danach spielten die Rolling Stones gratis vor Hunderttausenden in Havanna, Hollywood drehte eine neue Folge von Fast & Furious und Lagerfeld stellte seine neue Chanel Kollektion vor.

Doch gerade, als alle dachten, dass Cuba nun endlich ein normales Land wird, mit vernünftigen Beziehungen zum großen Nachbarn im Norden, kam Trump, überflutete die Insel mit neuen Embargo Restriktionen, dann auch noch Corona, und das Ausbleiben des so lebenswichtigen Tourismus war nur eine der gravierenden Folgen. 2018 wurde dann mit Miguel Diaz Canel das erste Staatsoberhaupt gewählt, das nicht den Namen Castro trägt. Er verfügte eine gewaltige Währungsreform, doch das Land leidet extrem unter den Folgen der beiden Embargos und Corona, und niemand weiß, wie es weitergehen soll. Die Krise nimmt erneut historische Maße an, Hunderttausende haben in den letzten Monaten das Land verlassen. Quo Vadis Cuba, wohin des Weges? Wir befinden uns im sechsten Cuba.

Roberto Reyes Velazquez (77) steht vor seinem teilweise zerstörten Haus in der Gemeinde Playa Caletones in Gibara, nachdem Hurrikan Ike am 15. September 2008 über Kuba hinweggezogen ist. Foto: Sven Creutzmann

Sven Creutzmann, 1962 in Berlin hinter dem Eisernen Vorhang geboren, zog mit seinen Eltern inmitten des Kalten Krieges nach Westdeutschland. In Hamburg wurde er in den Kleinhempel-Studios zum Werbefotografen ausgebildet, wechselte aber bald in die Nachrichtenfotografie, wo er für die britische Agentur Reuters sieben Jahre lang nationale und internationale Events dokumentierte, u.a. den Mauerfall bis zur Wiedervereinigung sowie die Olympischen Spiele in Barcelona.

Seither widmet sich Creutzmann der Magazin Reportage mit Schwerpunkt Lateinamerika und arbeitet im Auftrag unter anderen für Geo, Stern, Spiegel sowie weitere renommierte internationale Publikationen wie dem New York Times Magazine.

Sein umfangreichstes Werk jedoch stellt die Dokumentation der Revolution Fidel Castros auf Cuba dar, die er seit über 34 Jahren fotografiert. Er war der erste westdeutsche Journalist, der auf der Insel permanent akkreditiert wurde und ist weiterhin der einzige deutsche Fotograf mit einer dauerhaften Arbeitserlaubnis.

Wie kein anderer Fotograf hat Creutzmann in über drei Jahrzehnten das facettenreiche Leben der Cubaner*innen, ihre Leiden und Freuden hautnah und intim festgehalten, dabei aber ebenso auch immer wieder mit seiner Kamera Zugang gefunden zum »Comandante en Jefe«. So fotografierte er Fidel mit Nelson Mandela, bei der Beisetzung Che Guevaras, und zusammen mit Hugo Chavez. Er war dabei, als Obama als erster US-Präsident Cuba besuchte, und war Zeitzeuge beim historischen Treffen von Papst Johannes Paul II mit Castro, vor fast 25 Jahren.

Der damalige Herausgeber des Stern, Thomas Osterkorn, schrieb über ihn im Editorial des Magazins: »Kaum ein Journalist kennt Kuba so gut wie Sven Creutzmann«. Ruth Eichhorn, ehemalige Bildchefin von GEO, beschied Creutzmanns Arbeit über Brasilien mit: »Summa Cum Laude«. Und über die Qual bei der Bildauswahl für einen Artikel über Creutzmann im spanischen Magazin Standart schrieb der Herausgeber Hugo Izarra: »Ich fühle mich wie Schindler«. Creutzmann hat mehrere Bücher über Cuba veröffentlicht, darunter »Havanna – Im Herzen Kubas«, herausgegeben von Frederking & Thaler in 2019 (mit Texten von Bert Hoffmann).

Seine Erfahrung aus mittlerweile über 40 Jahren als Fotograf in so unterschiedlichen Bereichen wie Werbe-, News- und Reportagefotografie, gibt er seit 20 Jahren in Workshops weiter; als Coaching im one-on-one, für kleine oder große Gruppen, für Amateur*innen oder Profis, von Berlin bis Cuba, weltweit.

Füße einer Tänzerin der Tropicana Tanzschule in kaputten Balletschuhen, neben den Schuhen für die Show. Die Schuhe werden von den Schülerinnen an die nächste Generation weitergegeben, jede Schülerin schreibt ihren Namen in den Schuh. Foto: Sven Creutzmann

Sven Creutzmann
Cuba – die unendliche Revolution
Bilder aus mehr als drei Jahrzehnten tropischem Sozialismus

28. August bis 9. Oktober 2022
Vernissage am Sonntag, den 28. August von 11 bis 14 Uhr

Die Ausstellung zeigt auf über 400 qm  in fünf Räumen mehr als 100 teils großformatige Fotos.

Kunsträume der Michael Horbach Stiftung
Wormser Straße 23
50677 Köln
www.michael-horbach-stiftung.de

Öffnungszeiten
Mittwoch & Freitag 15:30 bis 18:30 Uhr
Sonntag 11 bis 14 Uhr und nach Vereinbarung