11. September bis 28. November 2015
Thomas Hoepker

Bilder die bleiben

11. September - 28. November 2015

Die Welt ist verstellt. Das, was man gemeinhin Wirklichkeit nennt, ist bei genauer Betrachtung nur ein Wirrwarr aus Zeichen. Verloren sind längst die Eindeutigkeiten. Verschwunden sind klare Botschaften. Houston, Texas, 1963: Hinter einer belebten Straße liegt das Geschäftshaus eines alten Pfandverleihers. Die heruntergekommene Fassade ist übersät mit Schriften und Zeichen. Es ist ein Tohuwabohu aus Buchstaben. Eine Aussage verstellt hier die andere. Ein Schild überlagert das nächste. Und je mehr man von dem Chaos entziffern wird, je weniger wird man von all dem verstehen.

Vielleicht hat dieses vieldeutige Geschäftshaus damals nur darauf gewartet, von einem klaren Auge gesehen zu werden. Einem Auge, wie es der damals 27-jährige Thomas Hoepker hatte. Für eine Reportage für das Magazin »Kristall« hatte sich Hoepker auf die Suche nach dem Amerika jenseits von Time Square und Mullholland Drive gemacht. Einem Amerika, wie es Jahre zuvor bereits Robert Frank gezeigt hatte: Brüchig, verschachtelt und mehrdeutig. Irgendwann auf seiner Reise war Hoepker dann auf »Honest Joe’s« Pfandhaus gestoßen. Und aus dem Chaos der Zeichen hat er eines seiner bis heute charakteristischsten Bilder geformt. Hermetisch und hintergründig. Mehrdeutig, wie zuvor bereits seine Aufnahmen von Reklameschildern am Highway von Reno oder von einer riesigen Werbetafel über einer Reifenhandlung in Houston.

Cuba, 2008.
Cuba, 2008.

Bis heute ist die Welt der Zeichen eines der zentralen Themen im Werk des gebürtigen Münchners. Mal zeigt Hoepker jene geheimnisvollen Codierungen, die sich mittels Reklamen, Alltagsgegenständen oder Kunstwerken in die urbane Wirklichkeit eingeschrieben haben; mal jene, die er mit seinen Bildern selbst kreiert hat. Denn Thomas Hoepker ist einer der letzten großen Ikonen-Macher. Seine Aufnahmen für Magazine wie Twen, Stern oder Geo haben über gut sechs Jahrzehnte hinweg Geschichte geschrieben: Andy Warhol hinter transparenter Folie, Muhammad Ali beim Friseur, die grauen Stadtlandschaften von Ost-Berlin.

Blick von Williamsburg auf Manhattan. Brooklyn, New York, 11. September 2001.
Blick von Williamsburg auf Manhattan. Brooklyn, New York, 11. September 2001.

Kaum ein anderer Fotoreporter seiner Generation hat bis heute ein derart gutes Auge für jenen geheimnisvollen Moment bewiesen, in dem sich das Weltgeschehen hinter kleinen, nebulösen Geschichten versteckt. Vielleicht ist Hoepker mit diesem Talent sogar eine der letzten Ikonen der Fotografie gelungen: Als am 11. September 2001 zwei Flugzeuge in die New Yorker »Twin Tower« stürzten, schoss er eine Aufnahme, die um die Welt ging: Eine düstere Rauchwolke über einem spätsommerlichen Hudson-River. Das Ende der 90er Jahre. Ein Abschied von Hedonismus und Sorglosigkeit.

Diese und zahlreiche andere Fotografien des einstigen Präsidenten von »Magnum Photos« sind ab dem 11. September 2015 in einer Einzelausstellung in der Galerie Johanna Breede Photokunst zu sehen.

Johanna Breede PHOTOKUNST
Fasanenstraße 69, 10719 Berlin

www.johanna-breede.com

Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr
Samstag 11.00 bis 16.00 Uhr